25. Okt 2023
Erfolgreiche Kälberaufzucht
Die Auswertung der Verkaufsgewichte der über die MASTERRIND vermarkteten Kälber hat ergeben, dass die Kluft zwischen den Einzeltiergewichten zum Verkaufszeitpunkt, nach der Verlängerung der Haltung auf mindestens 28 Lebenstage, größer geworden ist. Ein Teil der Kälber ist nach 28 Tagen kaum schwerer als mit 14 Tagen. Wie kann das sein?
Einige Betriebe haben bereits erkannt, dass die Kälberaufzucht eine zentrale Grundlage für die Zukunft des Betriebes ist und deshalb auch im Fokus stehen sollte. Tatsächlich zeigen zahlreiche Studien vor allem aus den letzten zehn Jahren, dass die erfolgreiche Kälberaufzucht eine entscheidende Grundlage für die Remontierung von hochleistenden, langlebigen Milchkühen darstellt und wesentlich die Wirtschaftlichkeit der Milchproduktion beeinflusst. So wissen wir heute, dass eine schlechte Entwicklung der Kälber in den ersten Lebenswochen ebenso wie Jungtiererkrankungen drastische Konsequenzen im Hinblick auf die langfristige Performance des Tieres bei der späteren Nutzung als Mastbulle oder Milchkuh haben.
In den Rinderzucht Ausgaben im April und August hat sich Prof. Martin Kaske vom Schweizer Kälbergesundheitsdienst in seiner Artikel-Kurzreihe "Das Kalb - die kleine Kuh" eingehend mit den Strategien zur intensiven Kälberaufzucht befasst.
Zentralen Punkte, die über den Erfolg entscheiden
1. Die Grundlagen der Kälbergesundheit werden bereits vor der Geburt des Kalbes geschaffen.
Die Fütterung und Haltung der (hoch-)trächtigen Kuh hat wesentliche Konsequenzen für die Entwicklung des Fötus, den Geburtsverlauf und die Vitalität des neugeborenen Kalbes. So gilt es, eine Verfettung der Muttertiere vor der Kalbung unbedingt zu vermeiden, Entgegen der Vorstellung vieler Landwirte ist dabei weniger die Fütterung während der Trockenstehperiode entscheidend, als vielmehr eine angepasste Fütterung im letzten Drittel der Laktation. [...]
2. Je unkomplizierter die Geburt, desto besser der Start des Kalbes!
Der Geburtsverlauf sowie die ersten Stunden des Kalbes nach der Geburt, haben für die spätere Kälbergesundheit eine zentrale Bedeutung. Schwergeburten sind durch ein systematisches, überlegtes und abgestuftes Vorgehen bei Geburten unbedingt zu vermeiden. Es gilt das Prinzip „Man muss in der Geburtshilfe viel wissen, um wenig zu tun.“
3. Kolostrum ist nicht nur Milch, sondern auch ein hochwirksames „Arzneimittel“.
Eine ausreichende Kolostrumversorgung ist die mit Abstand wichtigste Maßnahme, um Erkrankungen des Kalbes zu vermeiden, denn Kolostrum enthält große Mengen an Abwehrstoffen. Ohne diese Immunglobuline vom Muttertier sind die Kälber den Bakterien und Viren in der Umwelt nahezu schutzlos ausgeliefert. Auffallend sind zudem die langanhaltenden Effekte des Kolostrums. So wird nicht nur das Durchfallgeschehen in den ersten Lebenstagen, sondern auch die Kälbergesundheit später und sogar die Milchleistung in der ersten Laktation durch die Kolostrumversorgung wesentlich beeinflusst.
4. Die Muttertierimpfung ist eine Option für Betriebe mit gehäuftem Kälberdurchfall.
Prinzip dabei ist, dass das Muttertier durch die Impfung vermehrt Abwehrstoffe gegen die Krankheitserreger bildet und diese in das Kolostrum gelangen. Trinkt das Kalb die Biestmilch, profitiert es davon. Entscheidend ist aber, dass die im Impfstoff enthaltenen Antigene tatsächlich für die gehäuften Erkrankungen auf dem Betrieb verantwortlich sind.
5. Vollmilch ist kein ideales Futtermittel und muss aufgewertet werden.
Nun gilt es noch zu berücksichtigen, dass die Versorgungslage insbesondere mit Eisen und fettlöslichen Vitamine bei vielen neugeborenen Kälbern schlecht ist – das lässt sich durch die Verabreichung eines sog. Kälber-Boosters am zweiten Lebenstag vermeiden
Mit einer hoffentlich problemlosen Geburt und einer guten Kolostrumversorgung ist das Fundament für gesunde, frohwüchsige Kälber gelegt. Doch auch danach lauern noch Fallstricke bei Fütterung, Haltung und Hygiene. Was gilt es dabei zu beachten?
In den ersten Lebenswochen ist der Infektionsdruck bei Iglu- oder Hüttenhaltung und konsequentem Rein-Raus-Verfahren gering und deshalb empfehlenswert. Als besonders vorteilhaft gilt die Haltung von zwei Kälbern in einem entsprechend größeren Iglu in den ersten Lebenswochen. Eine derartige Kleinstgruppe begünstigt das artgemäße Verhalten und die frühe Aufnahme von Beifutter.
Fütterung in den ersten Lebenswochen: lieber ein bisschen zu viel als viel zu wenig!
- Die zügige Entwicklung neugeborener Kälber setzt eine ausreichende Fütterungsintensität voraus. Noch immer werden auf vielen Betrieben zu geringe Mengen angeboten, was mit einer vermeidbar schlechten Konstitution der Tiere verbunden ist.
Kälber nehmen in Mutterkuhhaltung bereits in der zweiten Lebenswoche im Mittel mehr als 10 L Vollmilch täglich auf, wobei sie 6-10 Mal täglich säugen und tägliche Zunahmen von über 1 kg erreichen.
- Auch für Kälber ist Wasser das wichtigste Futtermittel. Die möglichst frühe Aufnahme von Beifutter– sei es Heu, Silage oder Kälbermüsli – erfolgt nur, wenn die Tiere auch Wasser trinken können
- Kraftfutter sollte möglichst auch ab dem ersten Lebenstag angeboten werden. Obwohl in den ersten drei Lebenswochen keine signifikanten Mengen aufgenommen werden, begünstigt die spielerische Gewöhnung an das Kraftfutter eine ab der vierten Lebenswoche stark ansteigende Aufnahme.
- Die frühe Aufnahme von hochwertigem Grundfutter fördert die Vormagenentwicklung. Dabei ist es sekundär, ob es sich um Grassilage oder Heu handelt – problematisch können aber hohe Zuckergehalte bei Einsatz von Ackergras sein. Möglich ist auch, kurzgehäckseltes, entstaubtes Stroh in einer Kälber-Trocken-TMR anzubieten.
Kälber sind „Sensibelchen“
Kälber sind Neugeborene und damit stresslabiler als ausgewachsene Tiere. Die Vermeidung von Belastungen ist somit von zentraler Bedeutung für eine erfolgreiche Aufzucht, da sie die Tiergesundheit gefährden!
(Auszug aus den beiden Artikeln "Das Kalb - die kleine Kuh" von Prof. Martin Kaske)
Lesen Sie jetzt alle Tipps zur Kälberaufzucht in den beiden Ausgaben der Rinderzucht.