Planet Kuh - Das Wissensforum

Das war Planet Kuh - Das Wissensforum 2023

Kühe & Künstliche Intelligenz. Wie ist der Weg zum praktischen Einsatz?

Ein Wissenschaftler, ein Softwareentwickler und ein KI-Experte… Nein, das ist nicht der Anfang eines zweitklassigen Witzes, sondern der Auftakt zu einer erstklassigen Veranstaltung: Planet Kuh - Das Wissensforum. Im November kamen Vertreter aus Wissenschaft, Industrie und Praxis zusammen, um neueste Erkenntnisse und innovative Lösungsansätze zu teilen und zu diskutieren. Auf einer Rundtour über Verden, Cloppenburg und Meißen wurde der Frage nach dem Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Milchrinderhaltung und dem Weg zum praktischen Einsatz auf den Grund gegangen. Der Großteil der Teilnehmer war sich einig, dass KI in ihrem Leben noch keine große Rolle spielt. Wirklich nicht?

Hier sind ein paar Beispiele:

  • Die Gesichtserkennung zum Entsperren des Bildschirms auf dem Smartphone,

  • Sprachassistenten wie Alexa oder Siri zu Hause in der Küche,

  • Google Maps für den schnellsten Weg in die Stadt

  • oder das personalisierte Werbeangebot, das unvermittelt auftaucht.

Flyer

Zum Nachlesen:

DigiMilch – Vorstellung des Projekts zur Digitalisierung der Prozesskette Milcherzeugung

Dr. Bernhard Haidn
Institut für Landtechnik und Tierhaltung, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL)

Den ersten Redebeitrag hatte Dr. Bernhard Haidn von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft in Grub. Der renommierte Wissenschaftler und Automatisierungsexperte stellte als Leiter des Experimentierfeldes DigiMilch erste Ergebnisse vor. Das Projekt prüft die Eignung verschiedener Technologien vom Feld bis in den Melkstand und erfasst die Einsatzerfahrungen der Landwirte. Bestehende Lücken oder Defizite der smarten Lösungen werden aufgezeigt. Darüber hinaus werden in Zusammenarbeit mit Start-ups und renommierten Firmen der Agrartechnik neue Produkte entwickelt und getestet.

Insgesamt tragen Sensorsysteme und Digitalisierung dazu bei, die Effizienz, Produktivität und Nachhaltigkeit zu steigern, während gleichzeitig das Wohlbefinden und die Tiergesundheit verbessert werden. Die Herausforderung für den Landwirt liegt in der Datennutzung, um daraus sinnvolle Entscheidungen ableiten zu können. Im Projekt wurde einmal mehr deutlich, dass Einzellösungen und fehlende Vernetzungsmöglichkeiten das Potenzial der Systeme bremsen. Dr. Haidn wird an dieser Stelle deutlich und fordert die Hersteller auf, hier einen wesentlichen Beitrag zu leisten, denn vieles ist technisch bereits möglich. Der Entmistungsroboter zum Beispiel wäre in der Lage, mit dem Fütterungs- und Melksystem zu kommunizieren, um Kollisionen zu vermeiden und effizienter eingesetzt zu werden. Denkbar wäre außerdem, dass ein Sensor erkennt, dass die Kuh aufsteht und unmittelbar danach Kot absetzen wird. Der Roboter könnte den Fladen nicht zufällig, sondern gezielt aufnehmen.

Dr. Haidn sieht die Zukunft in der umfassenden Vernetzung einzelner Systeme und Maschinen sowie in der automatisierten Bild- und Videoanalyse durch Künstliche Intelligenz. Seiner Einschätzung nach wird die Bild- und Videoanalyse angehängte Sensoren an Hals und Fuß ersetzen. Im Folgeprojekt InnoRind wird diese Möglichkeit gerade umfassend geprüft. Das Forscherteam erwartet durch die zunehmende Nutzung von Künstlicher Intelligenz einen Innovationsschub für das Herdenmanagement von morgen.

ChatGPT & Co. Funktionsweise Künstlicher Intelligenz und aktuelle Einsatzgebiete

Tobias Dreesbach
Smart Enterprise Engineering, Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz GmbH

Der KI-Experte Tobias Dreesbach vom Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI) in Osnabrück erläuterte  anhand verschiedener Beispiele, welcher „Zauber“ hinter KI-Anwendungen steckt. In einfachen Worten handelt es sich um eine von Menschenhand angelernte und programmierte Software-Lösung, die als Teil eines IT-Systems oder einer Maschine gestaltet ist, um Aufgaben auszuführen, die normalerweise menschliche Intelligenz erfordern.

Nehmen wir die automatische Tempolimiterkennung in neueren Autos als Beispiel. Der Ursprung dieses Tools liegt bei einem IT-Experten, der eine Software geschrieben und mit einem großen Datensatz an Bildern „trainiert“ hat. Ihm standen hunderttausende unterschiedliche Bilder von Verkehrszeichen zum Tempolimit aus der ganzen Welt, vor unterschiedlichen Hintergründen zur Verfügung. Diese Bilder hat er dem System zugeführt und der KI immer wieder „gezeigt“, wo im Bild sich ein entsprechendes Verkehrszeichen befindet. Irgendwann lernt das System sicher, die Verkehrszeichen zu erkennen und zu unterscheiden. Trifft man im Straßenverkehr auf eines dieser Verkehrszeichen, bspw. ein Tempo-30-Schild, reagiert die Software mit einer visuellen Warnung oder bremst sogar selbstständig auf 30 km/h herunter.

Im Wesentlichen geht es darum, Maschinen die Fähigkeit zu geben, zu lernen, Probleme zu lösen und Entscheidungen zu treffen, ähnlich wie es Menschen tun, aber auf der Grundlage von Algorithmen, Daten, Bildern und Mustern. Neben der Interpretation von visuellen Daten gibt es weitere Formen der Künstlichen Intelligenz, wie zum Beispiel das Verstehen und Generieren von menschlicher Sprache oder Systeme, die Anomalien und Abweichungen erkennen können. Weitere nützliche kostenfreie Softwarelösungen sind bspw. ChatGPT und AgriGPT. Bei beiden Systemen kann der Benutzer über Texteingabe mit dem Computer menschenähnlich kommunizieren. Er kann zum Beispiel komplizierte Sachverhalte einfach erklären, Gedichte, Nachrichten oder kurze Texte schreiben. Eine weitere praktikable KI-Anwendung ist die smarte Übersetzungssoftware Deepl. Sie übersetzt Texte, Sprachaufnahmen, Bilder und Dateien in über 30 Sprachen – schnell und präzise.

Die Forschungsgruppe um den Referenten Tobias Dreesbach arbeitet aktuell unter anderem daran, die Verschleißentwicklung bei Maschinen vorherzusagen, um einen Totalausfall vorzubeugen. Die KI ist darauf trainiert, Anomalien wie Störbewegungen, veränderte Zeiten oder andere Abweichungen festzustellen, um rechtzeitig einen Techniker bzw. Ersatzteile zu bestellen. Zwei weitere Projekte sind die Erkennung von Salatgurken mit der automatischen Einordnung in eine von fünf Gewichtsklassen sowie die Erkennung von Schädlingen auf dem Blattwerk. Das sind sehr praxisrelevante Probleme, die auch auf andere Bereiche übertragen werden können und die teilweise schon im Acker- und Pflanzenbau Anwendung finden.

Das DFKI forscht bereits seit über 30 Jahren an Künstlicher Intelligenz für den Menschen. Aktuell arbeiten etwa 1.560 Mitarbeitende aus über 76 Nationen an innovativen Software-Lösungen. Das Forschungszentrum zählt in der internationalen Wissenschaftswelt zu den wichtigsten „Centers of Excellence“. Weitere spannende Forschungsfelder sind verschiedene Robotertechnologien, KI für Mobilität, in der Pflege und Rehabilitation, KI für zivile Sicherheit, für die Erdbeobachtung, für die Vermeidung von Weltraumschrott, für den Bau von Windkraft-Offshore-Anlagen und KI zur Reduzierung von Plastikmüll in Gewässern.

Doch auch die Herausforderungen müssen benannt werden: Derzeit liegen sie vor allem in den Bereichen Datenschutz, Voreingenommenheit, bzw. Diskriminierung, ethische Verantwortlichkeit, Arbeitsplatzverlusten und Sicherheitsrisiken.

Der Weg zum effektiven Einsatz von KI in milchrinderhaltenden Betrieben

Dr. Bonny Van Ranst
Milchrinderhalter & Mitgründer v. Mmmooogle, NL

Den Schlussbeitrag lieferte Dr. Bonny Van Ranst, Mitgründer von MmmooOgle, einem niederländischen Softwareunternehmen. Er ist Veterinär, praktischer Landwirt und Pionier bei der Entwicklung von Softwarelösungen fürs Herdenmanagement wie Argos und Uniform Agri. Ebenso gründete er Dairy Data Warehouse (DDW), eine zentralisierte Datenbank, in der sämtliche Informationen eines Betriebs gesammelt und gespeichert werden. Nachdem DDW verkauft wurde steckte der sympathische Visionär sein Know-how in die Entwicklung von MmmooOgle, einer cloudbasierten Big-Data-Anwendung, die es ermöglicht, in Echtzeit sämtliche Daten des Betriebs zu streamen, auszuwerten und in individuellen Dashboards darzustellen. Forschungsprojekte mit Praxisrelevanz Tierdatennutzung in Echtzeit Betriebe haben die Möglichkeit verschiedene Informationen neu miteinander zu kombinieren und auszuwerten, theoretisch sogar die produzierte Milchmenge pro Minute Wiederkauen.

Ein 25-köpfiges Team aus ambitionierten Tierärzten, Agrarwissenschaftlern und IT-Experten ist an der Entwicklung beteiligt. Es scheint, als sei MmmooOgle die Lösung, auf die viele Milchrinderhalter lange gewartet haben. Hier können alle anfallenden Informationen übergeordnet und herstellerunabhängig ausgewertet werden. Die Installation benötigt nur wenige Minuten und ist sofort einsatzbereit. MASTERRIND erprobt das System und die Möglichkeiten aktuell auf zehn Testbetrieben. Gemeinsam mit den Niederländern Dr. Miel Hostens und Kristien Neyens hat der Referent Dr. Van Ranst weitere spannende Projekte bzw. Ergänzungen in der Entwicklung. Unter anderem ein bildbasiertes Datenmanagementsystem, das es ihm ermöglicht, auch auf der Planet Kuh-Bühne, hautnah an seiner Herde zu sein und Managemententscheidungen zu treffen.

Das Fazit:

Wir befinden uns noch am Anfang der Integration von Künstlicher Intelligenz im Kuhstall. Ihre Zukunft verspricht nicht nur die Optimierung bestehender Systeme, sondern auch die Erschließung neuer Wege für eine nachhaltige und effiziente Milchproduktion. Es lohnt sich, sich weiter zu informieren und sich der Technologien nicht zu verschließen!

Ihre Ansprechpartnerin

Dr. Femke Brügesch

Marketing Referentin Wissenstransfer

+49 4231 679 190

+49 151 409 06 220